Controls News 13
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Schwerpunkt-Thema: Lean-Automation |
Prozesse
Für die Automation von Liegenschaftsobjekten und de-
ren Betrieb über den ganzen Lebenszyklus sollte man
deshalb nur «Lieferanten» haben, mit denen man «gut
bekannt ist» und die einem thematisch und/oder geo-
grafisch möglichst nahe sind. Die Unternehmen sollten
sich wie in einer Partnerschaft gegenseitig kennen. Man
sollte ganz einfach zueinander passen.
Opportunistische «Einmalbeziehungen» sollten bei
Automationslösungen genauso vermieden werden wie
vitale, lebenszykluslange Abhängigkeiten.
Es ist wie im menschlichen Umfeld: Vertrautheit und
Langfristigkeit ist die Grundlage für die besten Bezie-
hungen.
Das steht natürlich im völligen Widerspruch zur Verga-
be an den Billigsten. Wer würde sich denn gerne jeweils
vom billigsten Arzt behandeln lassen oder den billigs-
ten Friseur wählen? Einmalbeziehungen sind gemäss
Spieltheorie für denjenigen vorteilhaft und nachhaltig,
der «falsch spielt». Keine gute Ausgangsbasis, um wirk-
lich Freude im Leben zu haben!
Was killt die Lean-Automation?Was steht Lean-
Automation komplett entgegen? «No go!»
Was ist im Kontext der Gebäudeautomation nun ein
konkreter Beleg für die eher philosophischen Aussagen
von John Ruskin, den wir obenstehend zitiert haben
zum Thema «Cheap in Mind»? Was macht die Optimie-
rung zu «Good Fit» teuer, und der Schritt zu «Perfect Fit»
praktisch unmöglich?
Die eindrücklichste Antwort auf diese Fragen findet
man durch die Betrachtung des Themas Software. Es ist
eine unsichtbare Sache und am weitesten vom Gedan-
kengut der «Bauwelt» entfernt.
Im einfachsten Fall wird bei der «Cheap in Mind»-Ver-
gabe und Realisierung die «Applikationssoftware» des
Gebäudeautomationssystems einfach nicht zum Besitz
des Liegenschaftseigentümers. Man zahlt weniger und
bekommt denn unsichtbar auch weniger. Nur merkt
dies lange niemand. Erst in der Optimierungs- und Be-
triebsphase kommt die Rechnung und der Ärger – dann
aber massiv. Im schlimmsten Fall ist der ursprüngliche
«
Solution Provider» nicht mehr existent und der Betrei-
ber kann nichts mehr ändern. Jeder kleine Defekt wird
zur Grossbaustelle.
In einem anderen Fall wird die Applikationssoftware
des Gebäudeautomationssystems zwar mitgelie-
fert und korrekt übergeben; der Hersteller des Auto-
mationssystems hat jedoch solch eine geschickte
Lizenzpolitik für die Softwarewerkzeuge (Engineering/
Programmierung), dass er bei jeder Optimierung und
Anpassung mitverdient. Da diese schlussendlich unbe-
dingt notwendig sind, um auf «Good Fit» oder «Perfect
Fit» zu gelangen, kann er sich dann das Geld zurück-
holen, welches er bei der Vergabe geglaubt hat einzu-
sparen!
Damit sind die von John Ruskin aufgezeigten Regeln
der kapitalistischen Wirtschaft einfach bestätigt. Jeder
Marktteilnehmer spielt sein Spiel. Keiner bricht die Re-
geln. Diese finanziellen Aspekte sind noch kein Hinder-
nis an sich für die Lean-Automation.
Der Investor reduziert seine Erstinvestitionssumme, in-
dem er an den Anbieter mit dem billigsten Preis vergibt.
Der Anbieter mit der guten Finanzkraft subventioniert
die Erstausrüstung und ist damit Mitinvestor in die Lie-
genschaft. Er hat damit das moralische Recht, auch am
Lebenszyklus mitzuverdienen. Er bekommt über die
Lebenszykluskosten eine gute Verzinsung seiner ersten
Investition.
Um diese Verzinsung zu maximieren und seine Risiken
zu minimieren, wird er jedoch dafür sorgen, dass mög-
lichst billiges Material eingebaut wird und dass der
Übergabezustand «Basic Fit» so billig wie möglich zu
erreichen ist. Billiges Material geht bald kaputt und ist
als dedizierter Controller nicht erweiterbar bzw. wirk-
lich programmierbar. Das ist also ein doppelt positiver
Effekt.
Ein weiterer guter Ansatzpunkt zur höheren Verzinsung
ist die Definition von «Basic Fit». Diese wird von den Pla-
nern über die Ausschreibung gemacht. Da bei «Cheap
in Mind» auch kein Geld für die Planung der MSR-Tech-
nik und Automation ausgegeben werden soll, kann ein
wirtschaftlich nachhaltig arbeitender Planer nach den
Gesetzen des Kapitalismus auch keine entsprechen-
de Leistung erbringen. Hier kommen dann die gros-
sen Hersteller für Automationstechnik den Planern zu
Hilfe. Sie machen die Planungsarbeit so, dass in der Aus-
schreibung einer ihrer vielen 0815-Systemkonfiguratio-
nen erscheint. Diese lassen sich rasch in der Bauphase
installieren und inbetriebnehmen, was Kosten spart.
Je weiter diese von «Perfect Fit» des realen Bedarfs ent-
fernt sind, umso höher fallen die späteren Einnahmen
im Lebenszyklus aus.
So killt «Cheap in Mind» bei der Erstinvestition
jeden Ansatz von Lean-Automation
Billiges Material verursacht nach einigen Jahren Stö-
rungen und sorgt für ständige Unterbrechungen. Dies
stoppt die Kontinuität des Wertschöpfungsflusses und
ist «Nicht-Lean».
Billiges Material sind auch dedizierte Geräte, denn da
wird jede Optimierung und Anpassung zum grossen
Projekt. Lean will kleine Projekte und die Umsetzung
nahe vor Ort.
Bei der «Cheap in Mind»-
Vergabe von Automations-
technik wird der Auftrag-
nehmer zum «Kreditgeber»
mit Wucherzinsen über den
gesamten Lebenszyklus.
Dedizierter Controller
bzw. Kompakt-Steuerungen =
Einzweck.
Nichts für Lean-Automation!
Funktionieren tadellos
im Sinne der Hersteller;
jedoch nicht im Sinne
des Betreibers!