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Controls News 13
II
Schwerpunkt-Thema: Lean-Automation |
Prozesse
Mut zur Realität –
Der 1. Schritt von Krampf zu Lean
Bei der Automation von Infrastrukturobjekten geht
jeder Beteiligte vom Idealfall aus. Obwohl eigentlich
alle wissen, dass eigentlich das Gegenteil von Ideal die
Regel ist.
Der Idealfall besteht darin, dass ein Bauherr weiss, was
es für den späteren Betrieb braucht und dass er diese
Anforderungen 100% an einen Planer kommunizie-
ren kann. Der Planer wiederum versteht den Bauherrn
richtig und kann eine vollständige Spezifikation aus-
arbeiten. Diese Spezifikation wird anschliessend von
den Dienstleistern und GUs auch genauso umgesetzt.
Dann erhält der Betreiber, was er braucht.
nik die Abnahme gemacht solange kein fataler Man-
gel besteht. Der Betreiber muss dann mit der Realität
leben, die sich aus dem schrägen Prozess schlussendlich
ergeben hat. Ein Teil der Realität sind nicht nur die Un-
wägbarkeiten der Bauphase, sondern auch Erfahrungen
aus der Betriebsphase, neue Nutzeranforderungen und
rechtliche Vorgaben, die Änderungsbedarf in der tech-
nischen Installationen der Liegenschaft erfordern.
Lean bedeutet davon auszugehen, dass viele wichtige
Anforderungen vorab eben nicht klar definierbar sind
und dass nichts sicherer ist als die ständige Verände-
rung. Das sind die Kernelemente eines Lean-Bewusst-
seins. Die Anpassbarkeit von Automation entspricht
auch den Forderungen nach maximalerWertschöpfung.
Diese kann nur erreicht werden wenn der Nutzer/Be-
treiber ein System hat das voll auf seine Belange zuge-
schnitten ist. Keine vorgefertigte Standardlösung in der
Gebäudeautomation kann dies erreichen. Es braucht
immer Anpassungen während der Realisierung und
der Betriebsphase. Diese Anpassung wird auch darin
bestehen, dass Effekte der üblichen Planung und Aus-
schreibung jedes Gewerkes getrennt voneinander in
der Betriebsphase korrigiert werden. «Nicht-Lean» wäre
es, die gängige Praxis umwerfen zu wollen und eine
bessere ideale Welt der integralen Gesamtplanung zu
proklamieren. Lean ist es, die Realitäten zu akzeptieren
und sich darauf einzurichten.
Auch das ist typisch für Lean-Produktion. Bei «Nicht-
Lean»-Produktion wird auf Fehler welche die Mitarbeiter
in der Fertigung machen reagiert, indem man Schulun-
gen verordnet und nach besserem Personal ruft. Bei der
Lean-Produktion geht man davon aus, dass Menschen
immer Fehler machen und minimiert im Design und
Fertigungsablauf systematisch jede Fehlermöglichkeit.
Lean-Automation heisst streben nach «Perfect Fit» der
Automation für die Menschen und Anforderungen die
man in der Praxis hat. Es bedeutet eben nicht, zufrieden
zu sein mit «Good Fit» Automation, und es heisst, nicht
mehr länger mit einer «Basic Fit» Automation zu leben.
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Effekt auf den Betreiber und Eigentümer, wenn Planung und Realisierung an den «Billigsten» vergeben wird:
die Betriebskosten steigen stärker und es gibt viele teure Nachprojekte. In den USA heisst dies «Penny wise and Dollar stupid».
Einsparung durch billigste Planung
planen realisieren
betreiben
Nutzer
Betreiber
Eigentümer
Effekt der
billigsten Planung
und Realisierung
Life Cycle
Kosten
I
6
schwarze Linie:
Kostenentwicklung bei
«
Cheap in Mind»-
Planung und -Vergabe
grüne Linie:
Kostenentwicklung bei
«
Peace of Mind»-
Planung und -Vergabe
Irreales Wunschdenken als Basis für heutige Prozesse/Normen:
Bauherr weiss, was
der Betrieb braucht
und kann es klar
kommunizieren
Planer versteht
alles und kann
vollständig
spezifizieren
Projektstart
1,5
bis 3 Jahre später
Die Realität, die permanent verdrängt und ignoriert wird:
Delta
Ist/Soll
Übergebene Anlage
ermöglicht den Grund-
betrieb. Nutzer können
einziehen
Integrator/GU
realisiert genauso
wie gewünscht
Ideale
Funktionen
für Betreiber/
Nutzer
Bauherr kennt Anforde-
rungen nur grob; kann
diese nicht ausdrücken,
hat keine Zeit
Integrator/GU
minimiert Auf-
wand und Leistung.
Aktuelle Kosten runter,
späterer Serviceertrag
hoch
Planer hat unklare
Vorgaben, hat
Kostendruck und
scheut Risiko
Die Realität sieht jedoch eher so aus:
Der Bauherr kennt in der Planungsphase noch gar
nicht vollständig die Betriebsanforderungen. Was er
weiss, kommuniziert er zudem nur teilweise. Der Pla-
ner versteht nicht alles, was kommuniziert wird und
kann unter vertretbarem Aufwand nicht alle Details
spezifizieren und dokumentieren. Nach Vergabe an
den GU/Anlagenbauer oder Integrator setzen diese
kostenminimal um.
Da der Übergabetermin unverrückbar näher kommt
und keiner den Schwarzen Peter will, wird trotz des
Deltas zwischen installierter und benötigter Tech-
Anforderung
Betrieb
Automationslösung
Basic Fit
Automationslösung
Good Fit
Anforderung
Betrieb
Automationslösung
Perfect Fit
Anforderung
Betrieb
Ab
Werk
15–20
Jahre