Controls News 13
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Schwerpunkt-Thema: Lean-Automation |
Prozesse
«
Cheap in Mind» – Die stärkste Kraft
beim Bau als destruktives Optimum
Automationslösungen für Liegenschaften sind kom-
plexe und äusserst individuelle Systeme, welche einem
ständigen Innovationsdruck ausgesetzt sind. Sie las-
sen sich nicht in kg oder mm präzise beschreiben und
prüfen. Dennoch wird Automation bei Ausschreibung
vergeben als sei es ein Commodity an der Warentermin-
börse in Chicago. Der Billigste bekommt den Zuschlag.
Was davon zu halten ist, wurde schon oftmals beschrie-
ben. Zum Beispiel von John Ruskin, einem englischen
Schriftsteller und Sozialreformer (1819–1900).
Es gibt kaum etwas auf der Welt, das nicht irgend-
jemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger
verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am
Preis orientieren, werden die gerechte Beute schlechter
Machenschaften.
Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber ist noch schlech-
ter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen,
verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen
zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da
der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe
nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet
es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.
Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie
für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen.
Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug
Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.
Diese Aussage von John Ruskin trifft besonders extrem
bei Liegenschaftsprojekten zu. Dies liegt zum einen an
den hohen Lebenszykluskosten imVergleich zu den An-
schaffungskosten und auch an der speziellen Streuung
der Verantwortung.
Bei Liegenschaftsprojekten können sehr viele verschie-
dene Interessengruppen beteiligt sein. Neben den in
der Grafik dargestellten Personen können zusätzlich
auch noch Banken/Investoren und «Projektentwickler»
Lean = Maximaler Wert und maximale Effizienz
statt minimaler Kaufpreis
Bei Lean-Produktion wird der Arbeiter als Schlüsselelement der Wertschöpfung be-
trachtet, nicht als reiner Kostenfaktor. Es ist das primäre Ziel, mit den gegebenen
Ressourcen die maximaleWertschöpfung und Qualität zu erreichen. Das Gleiche gilt bei
Lean-Automation. Dies bedeutet jedoch eine Abkehr von eingefahrenen Verhaltens-
mustern und die Bereitschaft, die heutige Realität zu erkennen und in Frage zu stellen.
Autor: Jürgen Lauber
Ignoranz gegenüber Prozess- und Denkfehlern
bei Automationsprojekten. Alle wissen es, aber…
Komplexe Automationslösun-
gen für Liegenschaftsobjekte
werden bei der Auftragvergabe
behandelt wie Commodities
(
d.h. Schweinehälften, Weizen,
Kupfer) an den Warentermin
börsen dieser Welt.
John Ruskin1819–1900
Sozialwissenschaftler;
beschrieb eindrücklich
den wirtschaftlichen Wider-
sinn von «Cheap in Mind»
speziell für komplexe
Waren-/Dienstleistungen
Fehlkonstellation:
Negative Folgen: «billige Planung» und «billige Vergabe»
trifft immer andere
beteiligt sein. Kennzeichnend für den Prozess jedoch ist
es, dass die Betreiber meist viel zu spät oder gar nicht
involviert sind. Oft kennt man den Betreiber bei der
Planung noch gar nicht. Und es ist auch typisch, dass
der Planer sich nach der Übergabe schnellstmöglichst
ausklinkt, da jede weitere Stunde die Rentabilität seines
Mandates verschlechtert. Viele Planer müssen auch ihre
Ingenieursaufträge durch «Vergabe an den Billigsten»
geWinnen. Wer da mehr als das Minimum tut, ist wirt-
schaftlich bald am Ende.
Der machtvolle Einkäufer der alles an den «Billigsten»
vergibt ist nur für die Investitionssumme bis zur Über-
gabe verantwortlich. Nach Rechnungsabschluss ver-
schwindet er aus dem «Leben» des neuen Objektes.
Bei der Gebäudeautomation macht der Einkäufer das
Gleiche wie für 0815-Standardbauleistungen: Er mini-
miert die Investitionssumme. Dafür ist er trainiert und
dafür wird er prämiert. Was dabei völlig ausser Betrach-
tung fällt, ist die hohe Hebelwirkung der MSR-Technik
bzw. der Automation, welche auf die Betriebkosten, die
Betriebsqualität und den laufenden Personalaufwand
Einfluss haben.
Je nach Gebäudetyp betragen die Erstellungskos-
ten nur 12–15% der gesamten Lebenszykluskosten.
Von den Erstellungskosten eines Gebäudes macht die
gesamte MSR/Automationstechnik 1 bis 3% aus. Das
Einsparungspotential durch «Vergabe an den Billigsten»
ist also extrem klein. Der Effekt und das Risiko für den
Betrieb sind jedoch gewaltig. In Amerika gibt es dafür
das Sprichwort: «Penny wise and Dollar stupid».
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Eigentümer
Planer/Arch.
Einkäufer/GU
Betreiber
Techniker
planen realisieren
betreiben
Projekt
nicht mehr involviert
nicht beteiligt
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